Ein junger Künstler mit Höhenflügen
Im Jahr 1816 wurde Barye Schüler des Bildhauers François Joseph Bosio (1769-1845), der die Fähigkeiten seines Schülers im Modellieren in künstlerische Bahnen lenkte. Er erkannte das Talent des jungen Goldschmied-Sohnes und empfahl ihn an den Maler Antoine-Jean Gros (1771-1835). Barye wurde infolge dessen 1817 in das Atelier von Antoine-Jean Gros aufgenommen. Ein Jahr später konnte Barye bereits an der Ausstellung der École nationale supérieure des beaux-arts de Paris teilnehmen und mit einem eigenen Werk, welches den Titel Milo von Kroton im Kampf mit einem Löwen trug, einen Preis gewinnen. Allerdings war dies sein letztes preisgekröntes Werk, denn in den folgenden Jahren wurde Barye auf den Ausstellungen der École des Beaux-Arts und im Pariser Salon nur noch mit Lob erwähnt und erhielt eine Bronze-Medaille. Er war überzeugt davon, dass sein Können schwer unterschätzt wurde und weigerte sich fortan, seine Werke öffentlich auszustellen.
Vom Goldschmied zum Tierbildhauer
Barye suchte eine Anstellung bei einem Goldschmied, die er bei dem Juwelier und Schmied Jacques Henri Fauconnier fand. Fauconnier gab die Arbeiten Baryes meist als seine eigenen aus, was dem jungen Künstler nicht zu weiterem Ruhm verhalf. Er nahm dies hin und widmete sich zahlreichen Tierstudien, die er oftmals im Jardin des Plantes ausführte. Ein Ergebnis dieser Arbeit war Ein Tiger, der ein Krokodil zerreißt. Für dieses Werk brach er mit sich selbst und stellte es im Jahr 1831 auf einer Ausstellung der Öffentlichkeit vor. Die Skulptur erreichte die Kunstkenner wie einen Paukenschlag und Barye begründete mit diesem Schritt an die Öffentlichkeit seinen Ruf als begnadeter Tierbildhauer.
Ein Ritter der Ehrenlegion
Seine Tierbronze Der eine Schlange zerreißende bronzene Löwe übertraf den Tiger noch bei weitem und brachte ihm den Ritterschlag der Ehrenlegion ein. Der Löwe schlug in dieselbe Kerbe wie der Tiger und zeigte ein Raubtier in Kampfpose mit seinem Opfer. Die Darstellung des Löwen überstieg bisher gesehene Tierbronzen noch an Realismus, Ausstrahlung und Kraft. Der Herzog von Orléans Louis Philippe d’Orléans (1773-1850) avancierte in der Folge zu einem seiner besten Kunden, für den er mehrere Aufträge ausführte. Unter anderem stellte er mehrere Tafelaufsätze mit verschiedenen Tiergruppen für den Herzog her.
Tierbronzen als erste Werke des Realismus
Der Erfolg hielt an, nachdem Barye seinen Stil im Realismus gefunden hatte und sich auf Tierdarstellungen spezialisierte. Zu den bekanntesten Skulpturen und Werken des großen Tierbildhauers gehören neben den bereits erwähnten noch das Relief des Löwen am Postamt der Julisäule, die Tote Gazelle, die er ebenfalls für den Herzog fertigte und auch eine eher exzentrisch anmutende Reiterstatue des Napoleon I. (1864) für die französische Gemeinde Ajaccio. Sie entstand in Zusammenarbeit mit dem Architekten Eugène Viollet-le-Duc (1814-1879), der von Napoleon III. (1808-1873) beauftragt wurde, eine Gedenkstätte für Napoleon Bonaparte (1769-1821) und seine drei Brüder zu schaffen. Die dramatische Kraft der Darstellung des Lapith, der mit dem Centauren kämpft, begeistere die Kunstwelt ebenfalls und brachte dem Künstler viel Beifall und Anerkennung ein.
Beängstigend wie die Natur
Barye wurde als Vorreiter des Realismus und Naturalismus bekannt. Seine Tierbronzen faszinierten die Kunstwelt, denn der Detailreichtum und die große Nähe zur Realität begründeten eine neue Richtung der Bildhauerei. Während seine Malereien exotische und romantische Landschaften thematisierten, richteten seine Bronzen sich an die wilde Natur und zeigten Raubtiere in starken Szenen des Kampfes oder der Jagd. Seine Werke wurden mit den Worten: „Beängstigend wie die Natur“ oder „Stark und wahr“ beschrieben. Heute sind einige der Bronzemodelle und Kleinbronzen des Künstlers Barye im Museum des Luxembourg ausgestellt. Barye, der auch erfolgreich Aquarelle, Radierungen und Lithographien fertigte, ist als einer der bekanntesten Vorreiter des Realismus in die Kunstgeschichte eingegangen. Barye verstarb am 27. Juni des Jahres 1875 in Alter von 80 Jahren und hinterließ seinen Sohn Alfred Barye (1839-1882), der das Handwerk des Vaters fortführte.