Zur Methode
Das Wachsausschmelzverfahren bezeichnet ein Verfahren zur Herstellung von Kunstgüssen in der Gestalt von Bronzefiguren, Skulpturen, Statuen ferner auch Schmuckstücken und Zierteilen. Die Vorgehensweise, welche im Folgenden beschrieben wird, ist seit Tausenden von Jahren praktisch nahezu unverändert. Das tradierte Handwerk geht zurück auf die Zeit um 2.500 vor Christus, da die erste Figur mittels des Wachsausschmelzverfahrens geschaffen wurde: Eine kleine Tänzerin der Indus Kultur. Da im Verlauf des Verfahrens sowohl das Modell als auch die Form zerstört wird, bezeichnet man das Verfahren auch als »Verfahren mit verlorenem Modell«, seltener auch als »Verfahren mit verlorener Form«. Eine andere aus dem Französischen kommende Bezeichnung ist »Cire perdu«, zu deutsch: Verlorenes Wachs. Die Modelle werden also aus ausschmelzbaren Stoffen wie Wachs, in jüngeren Jahren auch aus Kunststoffen oder Legierungen hergestellt. Mittels des Ausschmelzverfahrens, bei denen in aller Regel ungeteilte Formen verwendet werden, lassen sich komplizierte Gusstücke hoher Maßgenauigkeit herstellen. Aus diesem Grund werden sie oft als »Feinguss« bezeichnet und eignen sich also insbesondere zur Fertigung von Gussstücken aus schwer zu bearbeitenden Werkstoffen. Da in erster Linie Wachs als Modellwerkstoff dient, nennt man den Prozess auch »Wachsausschmelzverfahren«. Es ermöglicht eine originalgetreue Umwandlung des Modells in Metall und garantiert einen hohen Grad an Maßhaltigkeit und Oberflächengüte.
Geschichte
Das Prinzip des Wachsausschmelzverfahrens ist seit Tausenden von Jahren bekannt und findet mindestens seit dem vierten Jahrtausend vor Christus Anwendung im Metallhandwerk. Zu den Hochburgen der Metallverarbeitung gehörten ab dem fünften Jahrtausend Bulgarien und Anatolien. Auch den indigenen Völkern Kolumbiens und Mittelamerikas war das Verfahren bekannt. Sie verwendeten unter anderem Tumbaga – eine Legierung mit den Hauptbestandteilen Gold und Kupfer – und formten so eine Vielzahl diverser Kultgegenstände. Auf diese Weise sind später alle bedeutenden Bronze-Kunstwerke des Mittelalters entstandenen. Bis heute hat sich die Tradition dieses Kunsthandwerks bewahrt; so wird etwa die Kühlerfigur des Rolls-Royce, die sogenannte »Spirit of Ecstasy«, mittels des Wachsausschmelzverfahrens hergestellt. Darüber hinaus findet das Prinzip auch in der Zeitgenössischen Kunst Anwendung, weil es die Möglichkeit eröffnet, die Modellierstrukturen exakt abzubilden. Auch in der Zahmedizin wird das Verfahren angewandt, etwa zur Herstellung von Kronen, Brücken und Einlagen.
Arbeitsschritte
1. Modellierung
Zuallererst wird ein vom Künstler gewünschter Gegenstand modelliert, welcher später in Metall eingegossen werden soll. Das Modell kann – wie oben bereits erwähnt – aus verschiedenen Material bestehen. Am häufigsten wird hierbei Wachs verwendet. In Abhängigkeit von der gewünschten Oberflächenstruktur kommen aber auch andere Materialien wie Gips oder Ton, seltener auch erstarrtes Quecksilber zum Einsatz. Im jedem Fall muss das Modellmaterial mechanisch belastbar sein, damit es beim Einformen weder zerbricht noch deformiert wird. Darüber hinaus muss sich das Material vollständig ausschmelzen lassen. Von besonderer Bedeutung ist dies beim Präzisionsguss. Die Herstellung der ausschmelzbaren Modelle erfolgt in der Praxis auf Wachs- oder Kunststoff- Spritzgießmaschinen in Spritzgießformen aus Stahl. Hierbei sind verschiedene Mechanisierungsgrade zu unterscheiden, die bis zur Automation mit Verwendung von Mehrfach- Kernzügen reichen. Modellierwachse existieren in verschiedenen Farben und Härtegraden, sind zumeist leicht formbar und eignen sich also gut zum Modellieren.
2. (Silikon-)Formbau und Gipsmantel (Negativ-Modell)
Das gefertigte Modell wird anschließend mit einer mehrschichtigen Masse aus elastischem Material, in der Regel Silikon, bedeckt. Die Verwendung von Silikon ermöglicht eine hohe Abformgenauigkeit der Modelloberfläche. Die Schichten, von denen zumeist drei bis vier aufgetragen werden, sind dabei unterschiedlich eingefärbt (weiß, grau, schwarz etc.). Nach einiger Zeit erstarrt die zähflüssige Masse auf der Oberfläche des Modells und ergibt eine exakte Wiedergabe des selbigen im Negativ. Sobald die Silikonschichten ausgehärtet sind, werden Stützschalen aus Gips angelegt, damit das Negativ, das nur aus einer weichen Silikonform besteht, in der Form gehalten wird. Der Gips wird mit Sisal und in Abhängigkeit der Modellgröße mit Eisen armiert. Mittels Tonstegen werden die Kanten der Schalen dort gesetzt, wo zuvor die Trennlinien des Silikons angelegt wurden. Bei einem Relief kann die Stützschale einteilig sein; in den meisten Fällen aber ist sie zwei- oder mehrteilig. Letztlich ist das gesamte Modell vom Silikon-Negativ und den Gipsschalen umhüllt.
3. Ausformung und Wachsmodell (Wachs-Positiv)
Im Anschluss daran werden die Gipsschalen getrennt und das Silikon entlang der Teilungsnähte aufgeschnitten. Der Gipsmantel ist als Stückform angelegt, sodass er beim Auseinandernehmen das Modell freigibt. Nach einer Reinigung wird das Silikon wieder in die Stützschalen gelegt. Die in den Schritten zuvor entworfene Negativform wird nun zur Anfertigung des Wachsmodells verwendet; hierzu wird ein Spezialwachs benötigt. Mittels dessen wird die Form in mehreren Arbeitsschritten mit heißem Wachs aufgeschwemmt, bis sich eine zwei bis drei Millimeter dicke Wachsschicht aufbaut. Diese entspricht der Dicke des künftigen Gusses. Die erste Wachsschicht muss dabei äußerst sorgfältig aufgetragen werden, da sich andernfalls beim Eingießen von weiterem Wachs Luftblasen bilden. Nach der Erkaltung entsteht ein Hohlkörper aus Wachs, der schließlich das Wachs-Positivmodell bildet. Das Postiv-Modell ist sehr sorgsam und exakt zu bearbeiten, da dieses der Oberfläche der später entstehenden Bronzeskulptur entspricht.
4. Eingusssystem
Nach dem Auspacken aus dem Silikon-Negativ wird das Wachsmodell überarbeitet; so werden etwa Nähte retuschiert und andere Fehler korrigiert. Empfehlenswert ist dies besonders dann, wenn das Original – etwa im Falle einer Restaurierung – Schadstellen aufweist. Anschließend wird das Modell mit Einguss- und Entlüftungskanälen sowie mit dem Eingusssystem aus Wachs versehen. Dieser Arbeitsschritt wird »Anschneiden« genannt. Das Eingusssystem fungiert einerseits als Eingang für das flüssige Metall, andererseits als Ausgang für die entweichende Luft. Für die Qualität des Gusses ist ein ausgefeiltes Eingusssystem maßgebend; die optimale Installation dessen erfordert also weitreichendes Geschick und Erfahrung. So müssen etwa die Verhältnisse von Einguss, Lauf und Anschnitt an das Gussstück, das Metall und das Formmaterial angepasst werden. Im Wachs werden Stifte eingesetzt, welche als Kernstützen fungieren; d.h, sie sie verbinden, sobald das Wachs ausgeschmolzen ist, den Kern mit der Außenform und halten ihn so in seiner Position. Die Anzahl der Stifte sollte allerdings möglichst gering gehalten werden, da die dadurch entstehenden Löcher im Nachhinein allesamt ausgebessert werden müssen.
5. Schamotteinbettung und Ausschmelzung
Um das Modell wird nun ein Zylinder gebaut, welcher mit flüssigem Schamott aufgefüllt wird. Hierzu werden Formen aus Blech oder Holz gebaut, die der Größe der Wachsmodelle gerecht werden. Das präparierte Wachsmodell wird mit all seinen Eingüssen in die flüssige Schamott-Gips- Mischung eingetaucht, bis das Wachsmodell vollständig darin versunken ist. Die Schamottmischung setzt sich sowohl aus Gips als auch aus rezykliertem und neuem Schamott zusammen. Die Ingredienzien werden in einer Spezialmaschine mit Wasser eingestreut und unter Vakuum gerührt; Ziel dessen ist eine porenfreie und genaue Oberfläche. Mittels eines Eingusstrichters werden die ausgehärteten Schamottblöcke mehrere Tage in einem mit Keramikfasern beschichteten Trockenofen gebrannt, sodass das Wachs rückstandsfrei abfließen bzw. ausschmelzen kann und der gewünschte Hohlraum für das flüssige Metall entsteht. Rückstände dürfen nicht in der Form bleiben und müssen vollständig verdampfen oder oxidieren. Zur Vermeidung von etwaigen Rissbildungen oder gar Brüchen in der Schamotte durch übermäßiges Ausdehnen wird die Ofentemperatur sukzessive auf 300° C hochgefahren. Das Wachs beginnt zu schmelzen und aus den Formen zu fließen. Von diesem Vorgang leitet sich der Name »Wachsausschmelzverfahren« ab. Das in einer Rinne aufgefangene Wachs wird erneut verwendet. In der Zwischenzeit steigt die Temperatur allmählich auf etwa 700° C und wird solange gehalten, bis die Form auf Weißglut erhitzt ist alles im Gips gebundene und ungebundene Wasser verdampft ist.
6. Guss
Anschließend wird die flüssige rotglühende Bronze – eine Metalllegierung, die im Wesentlichen aus etwa neunzig Prozent Kupfer und zehn Prozent Zinn besteht – in den inzwischen hohlen Schamottmantel gegossen. Um den Druck des einströmenden Materials standzuhalten, werden die gebrannten Formen mit Furansand in Formkästen eingebettet. Das Metall wird in einem Induktionsofen elektrisch geschmolzen, bevor sie mit 1050 bis 1150 Grad Celsius – in Abhängigkeit von Form und Wandstärke – in die Eingusslöcher vergossen wird. Die Luftkanäle ermöglichen das Austreten der Luft, sodass das Gussstück langsam auskühlen kann. Erst während des Gießens legt sich die Qualität der zuvor getätigten Arbeitsschritte offen. Da in der Kunstgießerei vor allem Einzelstücke vergossen werden, gibt es bei jedem dieser Stücke eine Vielzahl von Unvorhersehbarkeiten, die erst beim Guss zu Tage treten. Nachdem die Bronze erkaltet und also erstarrt ist, wird der Schamottmantel zerschlagen und die Stege abgesägt, sodass der Rohguss zum Vorschein kommt. Durch Bürsten und Polieren wird die Oberfläche des Gusses von überflüssigen Schamotten befreit und für die Aufnahme der Patina vorbereitet.Um eventuelle Schäden der Gussoberfläche zu vermeiden, empfiehlt sich die Reinigung mit Wasserdruck.
7. Zieselierung
Nachdem dem Entfernen der Kernnägel und des Eingusssystems sowie dem Zusammenschweißen der einzelnen Teilstücke einer Figur werden in einem nächsten Schritt die Schweißnähte und Gussfehler retouchiert. Gusskanäle, Luftblasen, Fehler und Unebenheiten werden beseitigt. Die Nagellöcher werden entweder zugeschweißt oder mit einem Gewinde aus dem Gussmaterial gefüllt und punziert. Dieser Vorgang des Ausbesserns und Retouchierens wird Ziselieren genannt. Die Oberfläche des Gusses kann durch verschiedene Techniken wie etwa die des Bürstens, des Punzierens, des Strahlens, des Schweißens und des Polierens erheblich verändert werden. Während man früher aufgrund von weniger präzisen Gussergebnissen die Oberfläche komplett überholt und viele Einzelheiten erst mittels des Ziselierens herausgearbeitet hat, werden heute ausgefeiltere Methoden angewandt, sodass es möglich ist. detailgetreue Wiedergaben des Originals zu produzieren, die nur marginaler Veränderungen bedürfen. Sind aufgrund von Gussfehlern die Handschriften des Künstlers oder die Struktur des originalen Materials partiell verloren gegangen, werden diese nachempfunden.
8. Patinierung
In einem letzten Schritt wird die Figur patiniert und erhält damit ihr endgültiges Aussehen. Orientiert an den individuellen Vorlieben kann die Patina – eine durch natürliche oder (hier:) künstliche Alterung entstandene Oberfläche – sehr unterschiedlich gestaltet sein und also den Ausdruck, der von dem jeweiligen Werk ausgeht, erheblich verändern. Bearbeitungsspuren der ursprünglichen Oberfläche müssen im Übrigen auch dann mittels einer teilweisen Patinierung angeglichen werden, wenn das Werk als Rohguss belassen wird. Beim Vorgang des Patinierens wird die Oberflächenfarbigkeit des Metalls mittels Oxidation und Desoxidation manipuliert. In verhältnismäßig aufwändigen und also der Erfahrung bedürfenden Prozeduren werden unter Einwirkung von Hitze mit Metallsalzen, Säuren oder Laugen chemische Reaktionen an der Oberfläche des Gusses verursacht. Eingesetzt werden hierbei vornehmlich Kupfer-, Eisen-, Silbernitrat sowie Kaliumpolysulfit – auch bekannt als Schwefelleber – und Wasserstoffperoxyd. Das daraus resultierende farbliche Ergebnis wird aber nicht nur von der Konzentration der Chemikalien, sondern auch von der Temperatureinwirkung, dem Auftrag und dem zu patinierenden Material beeinflusst. Das Ergebnis kann durch den Einsatz verschiedener Techniken wie etwa die des Aufsprühens, Tauchens, Auftrags mit einem Pinsel, Schwamm oder weichem Tuch variiert werden. Durch Anwendung dieser oder jener Technik können die unterschiedlichsten Farbgebungen und Effekte erzielt werden. Die verschiedenen Formen der Veredlung sind allerdings nur mit Bronze zu erzielen. Die Farbkraft kann durch Bürsten oder Polieren zusätzlich beeinflusst werden. Zum Gelingen einer Patina sind langjährige Erfahrung und Vorstellungsvermögen vonnöten. Zuletzt kann die Patina mit einem zusätzlichen konservierenden Wachsauftrag versehen werden, der wiederum Einfluss auf die Farbkraft ausübt.
Varianten des Wachsausschmelzverfahrens
Nach der Gestalt des Formbaus sind zwei Varianten des Ausschmelzverfahrens zu unterscheiden: Blockförmige Gussformen und Formen mit schalenförmigen Aufbau. Zu den »blockförmigen Gussformen« gehören alle Formstoffe, deren Bindemittel aus Gips besteht, so etwa Schamotte oder Ziegelsplitt. Die Wachsmodelle werden angeschnitten und anschließend entweder mit dem Formstoff übergossen oder in den flüssigen Formstoff getaucht. Nachdem Abbinden des Gipses müssen die Formen in Abhängigkeit ihrer Größe mehrere Tage im Trockenofen gebrannt werden. Die »Formen mit schalenförmigen Aufbau« dagegen umhüllen das Wachsmodell mit einer feuerfesten Schale. Der Unterschied liegt im Formaufbau. Während hier der Formstoff in einem oder mehreren Arbeitsgängen auf das Wachs aufgetragen wird, liegt bei den blockförmigen Formen der Formstoff in flüssiger Konsistenz vor. Für die schalenförmigen Formen werden in erster Linie Materialien wie Ton oder eigens dafür aufbereiteter Lehm verwendet. In jüngerer Zeit finden auch andere Formstoffe wie Quarzsand mit Wasserglas als Bindemittel sowie andere feuerfeste Materialien wie Zirkon- und Olivinsand mit synthetischen Bindemitteln Verwendung. Das Schalenform-Verfahren ist hinsichtlich des Formstoffverbrauchs ökonomischer als das Formblock-Verfahren und in der Regel auf kleine Teile beschränkt. In beiden Fällen aber wird das Modell ausgeschlossen.
Arbeitsschritte in Kurzform
- Modellierung des gewünschten Gegenstandes (in der Regel aus Wachs)
- Ummantelung des Modells mit Einbettmasse (Silikon) → Negativform
- Stabilisierung der Negativform durch Gipsmantel
- Anfertigung des Wachs-Positivmodells durch Aufschwemmung der Negativform mit heißem Wachs
- Installation eines Eingusssystems (Einguss- und Entlüftungskanäle)
- Einbettung des präparierten Wachsmodells in Schamott
- Ausschmelzung des Wachses im Ofen → Entstehung des gewünschten Hohlraums für das flüssige Metall
- Flüssiges Metall wird in die Form gegossen.
- Erkaltung des Metalls → Zerschlagen des Schamottmantels → Freilegung des Rohgusses 10. Ziselierung und Patinierung
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