Ein Künstler mit Leidenschaft und Ehrgeiz
Rodin verfolgte seinen Traum dennoch verbissen weiter. Für kleines Geld arbeitete er als Stuckateur bei Bauunternehmern und Dekorateuren. So konnte er sein Handwerk meistern. Das genügte ihm bald nicht mehr. Sein Wissensdurst wurde größer und er lernte Lesen. Für sein Lebenswerk war dies ein wichtiger Schritt, denn die Literatur inspirierte ihn zu seinem künstlerischen Schaffen. Nachdem seine Schwester im Jahr 1862 an einer Bauchfellentzündung starb, fand er Trost hinter den Mauern eines Klosters. Zwei Jahre verbrachte er dort ohne ein Ziel und ohne der Bildhauerei nachzugehen. Letztlich schuf er sein erstes Meisterwerk. Es war die „Büste des Pierre-Julien Eymard“ (1863), durch die er zu sich und zur Kunst zurückgefunden hatte. Daraufhin verließ er das Kloster und schlug sich abermals als Tagelöhner in Paris durch. Während dieser Periode schmückte er die Fassade des Théâtre des Gobelins mit den „fliegenden Göttinnen“ (1866), die bis heute dort bewundert werden können. Während der Arbeit an der Fassade lernte er die Näherin Rose Beuret kennen, die in unmittelbarer Nähe arbeitete. Er verliebte sich und verbrachte die nächsten 52 Jahre mit ihr. Im Jahr 1866 schenkte sie ihm einen Sohn. Von da an verbesserte sich seine Stellung nach und nach. Der Bildhauer und Kaufmann Albert-Ernest Carrier-Belleuse erkennt Rodins Talent und nimmt ihn als Meisterschüler auf. In seinen Diensten fertigte Rodin schwierige Dekorationselemente, Reliefs und Portalschmuck. Nach nur wenigen Wochen konnte er den Stil des Meisters nachahmen und in seinem Namen Kunstwerke erschaffen.
Von italienischen Meistern zu großer Kunst inspiriert
Nach einer inspirierenden Italienreise in Jahren 1875-1876 kehrte Rodin nach Paris zurück und baute dort Kontakte in die gehobene Gesellschaft auf. Dadurch gelang es ihm, seine Skulptur „Johannes der Täufer“ (1878) an den Staat zu verkaufen. Es folgten weitere ruhmreiche Aufträge. Im Jahr 1880 bekam er seine Lebensaufgabe. Er sollte die Bronzetür des Museums für Angewandte Kunst gestalten. Das „Höllentor“ (1880-1917) sollte ihn 35 Jahre lang beschäftigen und wurde nie fertig gestellt. Während dieser Periode verfiel er in einen Schaffensrausch. Der Erfolg beflügelte ihn. Er schuf „Die Bürger von Calais“ (1884-1889) und erfüllte weitere hochkarätige Aufträge.
Der mühsame Weg vom Tagelöhner zum Ritter
Die Spitze der Gesellschaft wurde auf ihn aufmerksam. Seine Mühen wurden mit dem Ritterschlag der Ehrenlegion 1887 und dem Präsidentenamt der Société Nationale des Beaux-Arts belohnt. In seinem Atelier beschäftigte er über 50 Steinmetze, Formgießer und Marmorschneider. Im Alter konnte er auf ein erfolgreiches Leben zurückblicken. Seine letzten Jahre verbrachte er im Hôtel Biron. Rodin schenkte dem Staat seine Werke und seine Kunstsammlung, um dort Wohnrecht für den Rest seines Lebens zu haben. So kam es, dass im Jahr 1916, also noch zu Lebzeiten des Künstlers, das Musée Rodin eröffnet wurde. Im November des Jahres 1917 stirbt er nur ein halbes Jahr nach dem Ableben seiner Frau Rose.
Das prägende Lebenswerk des Auguste Rodin
Mit den Worten „Ich werde nie wieder etwas Ganzes machen. Ich mache antikes.“ Beschrieb Auguste Rodin sein Schaffen. Das Atelier des außergewöhnlichen Künstlers war gefüllt mit Plastiken und Statuen, die unvollendet erschienen. Hände, Beine, Torsos ohne Kopf und zahlreiche weitere Studien fertigte der Künstler an. Rodin empfand tiefe Faszination für die einzelnen Körperteile des Menschen und die Perfektion mit der die Natur sie geschaffen hatte. Er sah seine Fragmente nicht als Teilstücke, sondern als vollkommene Kunstwerke, die seine kompletten Plastiken sogar übertrafen. „Der schreitende Mann“ (1877-1878) ist eines seiner Werke, die von der Öffentlichkeit als unvollendet empfunden wurden. Zur Entstehung dieses Werkes gibt es verschiedene Theorien. Einerseits behauptet die Literatur, es handelt sich um einen Abguss der Statue „Johannes der Täufer“, dem Rodin den Kopf abschlug. Andererseits existieren Theorien, die besagen, dass dieses Werk eine Vorstudie zum „Täufer“ gewesen sei. Auch das „Höllentor“ reiht sich in die unvollendete Kunst Rodins ein, denn es wurde nie fertig gestellt. In diesem Werk ist der gesamte Kosmos des Künstlers zu entdecken, denn er arbeitete 35 Jahre lang an dem Tor. Posthum wurde es im Jahre 1926 für das Musée Rodin gegossen. Im „Höllentor“ erkennt der Betrachter die große Faszination Rodins für Dantes Meisterwerk „Die Göttliche Komödie“ (1472). Das Tor ist eine Figurenwelt voller Meisterwerke. Darunter finden sich Stücke wie „Der Denker“, „Der Kuss“ und „Die Kauernde“ (1880-1881). Die Figuren des „Höllentors“ haben die Moderne maßgeblich geprägt und machten den Namen Auguste Rodin unvergesslich.