Ein Bankier-Sohn wird zum einflussreichen Künstler
Bereits mit 9 Jahren besuchte er das Lyzeum „Louis-le-Grand“ und bereitete sich zunächst auf eine juristische Laufbahn vor. Der Vater unterstützte den Hang zur Kunst seines Sohnes, denn er machte ihn mit den Alten Meistern im Louvre bekannt und richtete für ihn 1852 im Haus der Familie sein erstes Atelier ein. 1853 stand sein Name auf der Liste derer, die im Louvre kopieren und studieren durften. Dies führte dazu, dass Degas sich 1854 gegen Jura und für die Malerei entschied. Er wurde Schüler von Louis Lamothe (1822-1869) und besuchte 1855 die Ecole des Beaux-Arts.
Rom als Pilgerstätte zum Studium der Alten Meister
Im Jahr 1856 trieb es den jungen Degas, wie viele andere Künstler, nach Italien. Dort wollte er die Techniken der Alten Meister studieren. Dank seiner Verwandtschaft aus Neapel und deren Beziehungen hatte er niemals Not, eine Unterkunft in Rom zu finden. Zahlreiche Zeichnungen, Radierungen und Kupferstiche dokumentieren die Experimente des Künstlers über ein Jahrzehnt hinweg. In dieser Zeit verkehrte er eng mit Malern wie Elie Delauny (1828-1891), Léon Bonnat (1833-1922) und Gustave Moreau (1826-1898). Seine Bekanntschaft mit Moreau war eine der einflussreichsten Freundschaften auf Degas‘ künstlerisches Schaffen. Moreaus Selbstbewusstsein beeindruckte den eher zurückhaltenden Degas tief und inspirierte ihn, seine Techniken zu verfeinern. Im Jahr 1859 verließ Degas Rom um nach Paris zurückzukehren.
Ein Künstler auf der Suche nach seinem Thema
In Rom hatte Degas viel über Techniken der Kunst gelernt. Die Umsetzung sollte nun im heimischen Atelier in Paris erfolgen. Ab 1860 entdeckte er die japanische Kunst für sich und wendete sich der Historienmalerei zu. Immer wieder tauchen jedoch Pferdestudien in seinen Aufzeichnungen auf. Nachdem er erfolgreich die „Mittelalterliche Kriegsszene. Das Unglück von New Orleans“ (1865) ausgestellt hatte, wendete er sich 1866 von diesem Thema wieder ab. Mit „Der verletzte Jockey“ (1866) wandte er sich dem Thema Pferde und Jockeys zu. Außerdem portraitierte er Musiker. Seine Werke beeindruckten die Kunstliebhaber seiner Zeit sehr. So konnte er 1876 24 Werke bei einer Impressionistenausstellung in der Galerie Durand-Ruel platzieren.
Die Erweiterung des Schaffens auf Skulpturen
Degas beschäftigte sich noch lange mit der Malerei, gründete den Künstlerzirkel Indépendants und nahm bis 1881 an insgesamt sechs Impressionistenausstellungen teil. Im Jahr 1881 stellte er seine erste Skulptur fertig. Die Statuette der „Kleinen vierzehnjährigen Tänzerin“ (1878-1881) war die erste von zahlreichen Abbildungen von Tänzerinnen. Sein Leben war von diesem Zeitpunkt an von zahlreichen Reisen geprägt. Er bereiste 1882 die Schweiz, wo er Bildnisse von Modistinnen und Wäscherinnen schuf. 1885 zog es ihn nach Brüssel. Dort nahm er an einer großen Ausstellung teil. 1886 reiste er nach Neapel und kehrte im selben Jahr nach Paris zurück, um an der achten Impressionistenausstellung teilzunehmen. Hier zeigte er eine Folge von Akten und schien damit sein Thema gefunden zu haben. Die Faszination der Frauenkörper begleitete ihn für den Rest seines Schaffens.
Großer Ruhm für einen außergewöhnlichen Künstler zum Ende seines Lebens
In den nächsten 10 Jahren schuf er Skulpturen und Gemälde von Badenden und Tänzerinnen. Die faszinierende Betonung der weiblichen Körperform brachte ihm viel Ruhm ein. Doch sein Gesundheitszustand verschlechterte sich bis 1896 zunehmend. Degas‘ Schaffen riss dennoch nicht ab. Zwar konnte er wegen einem Augenleiden in den Jahren 1904 bis 1906 nur an großformatigen Kompositionen und Skulpturen arbeiten, doch seine perfektionierte Technik ging nicht verloren. 1917 verstarb der große Künstler schließlich im Alter von 83 Jahren.
Die „Kleine vierzehnjährige Tänzerin“ – eines der berühmtesten Werke Degas‘
Ein Künstler, der sich der Malerei verschrieben hatte, versucht sich als Skulpteur und erschafft dabei ein Werk, das eines seiner berühmtesten werden soll. So erging es Degas mit der „Kleinen vierzehnjährigen Tänzerin“. Als Modell für dieses Werk stand Marie van Goethem (1865-?). Sie wohnte in der Nähe von Degas und war fortan die Muse für seine Abbildungen von Tänzerinnen. Zahlreiche Zeichnungen fertigte Degas als Akt und mit Kleidung von ihr an und verwendete diese für die Umsetzung seiner ersten Skulptur. Die Skulptur der „Kleinen vierzehnjährigen Tänzerin“ war ein Experiment für Degas, denn zu dieser Zeit schenkte man der Farbe und der Verwendung verschiedener Materialien für Skulpturen mehr und mehr Aufmerksamkeit. Für das Tutu verwendete er Tarlatan. Die Ballettschuhe bestanden aus Satin und das Oberteil wurde eingefärbt. Das Original bestand aus Wachs und rief während einer Ausstellung hitzige Diskussionen hervor. Die lasterhafte Ausstrahlung des jungen Mädchens faszinierte die Kritiker. Es wurden sogar Stimmen laut, Degas habe die Skulptur mit diesem Werk revolutioniert. In Wahrheit traf diese Skulptur den Nerv der Zeit, denn Pädophilie war weit verbreitet und der Kult der Jungfräulichkeit sehr ausgeprägt. Die jungen Tanzelevinnen verkörperten die Hoffnung, denn ohne sie konnte das Ballett nicht weiterleben. So kam es, dass ein Maler mit einer Skulptur viel Ruhm erntete.